Dow Theorie

Dow Theorie

Die Dow Theorie geht zurück auf Charles Dow, der zum Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem Miteigentümer und Editor des Wall Street Journal war. Zwar veröffentlichte er seine Ideen nie zusammengefasst in einem Buch und er prägte für sie auch nicht den Namen „Dow Theorie“. Seine Grundideen zur technischen Analyse, zu Preisbewegungen und auch zur Marktpsychologie, die er in zahlreichen Aufsätzen für das Journal verfasste, wurden in späteren Jahren – nach seinem Tode 1902 – von S. A. Nelson und W. Hamilton gesammelt und aufbereitet und wiederum im Wall Street Journal veröffentlicht. 1922 veröffentlichte Hamilton „The Stock Market Barometer“, welches die Theorie im Detail erklärte. Erst 1932 entstand das Buch „The Dow Theory“ von Robert Rhea, welcher wiederum die Arbeiten von Dow, Hamilton und Nelson aufgriff.

Die Dow Theorie besteht aus einer ganzen Reihe von Annahmen und Theoremen, bei denen es sich um Konzepte für Aktienindizes handelt. Diese lassen sich – mit einigen Einschränkungen – aber auch sehr gut auf andere Märkte übertragen und haben auch heute noch Gültigkeit. Sie bilden die Grundlagen für viele moderne Konzepte der technischen Analyse.

 

Die Annahmen

  • Der Markt diskontiert alles

Alle verfügbaren Informationen sind in den Marktpreisen bereits verarbeitet. Unvorhergesehene Ereignisse können zwar auftreten, beeinflussen aber eher den kurzfristigen Trend und nicht den langfristigen. Auch die alte Wall Street Weisheit „Buy the rumor, sell the news“ (engl. „Kaufe Gerüchte, verkaufe Nachrichten“) lässt sich letztlich mit dieser Annahme erläutern: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung einer positiven Nachricht war diese bereits in den Kursen eingepreist, sie sorgt nicht mehr für Kurssteigerungen. Handelt es sich lediglich um ein Gerücht, hat dieses noch das Potenzial dazu, den Kurs so zu bewegen, dass er die neuen Informationen reflektiert.

  • Manipulation ist nicht möglich

Eine wichtige Annahme ist, dass eine Manipulation des langfristigen primären Trends nicht möglich ist. Kurzfristig ist dies durchaus möglich. Allerdings bezieht sich diese Annahme auf Aktienindizes, nicht auf einzelne Aktien. Diese sind mit entsprechend großem Mitteleinsatz wohl durchaus auch über längere Zeiträume, vielleicht einen Monat, zu manipulieren, ehe sich der primäre Trend wieder durchsetzt. Auf Grund der Größe des Gesamtmarktes, als des Index, ist eine Manipulation desselbigen jedoch unmöglich.

  • Die Dow Theorie ist nicht perfekt

Hamilton und Dow war es klar, dass ihre Ansätze nicht vollkommen waren. Sie wollten lediglich eine Sammlung von Richtlinien aufstellen, die es dem Investor erleichtern sollte, sich ein eigenes emotionsfreies Bild vom Markt zu machen.

 

Trends

Dow und Hamilton identifizierten drei Typen von Trends: primäre Trends („main movements“), sekundäre Trends („medium swing“) bzw. Reaktionsbewegungen und tägliche Schwankungen („short swings“ oder „minor movements“).

  • Primäre Trends

Primäre Trends dauern von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren. Üblicherweise bezeichnet man primäre Trends entweder als Bullenmarkt, wenn es sich um einen Aufwärtstrend handelt, und als Bärenmarkt, wenn es sich um einen Abwärtstrend handelt. Ein primärer Trend hält so lange an, bis sich ein neuer Trend etabliert. Die Dauer eines Trends ist nach Hamiltons Überzeugung nicht vorhersehbar.

  • Sekundäre Trends

Sekundäre Trends haben eine typische Länge von wenigen Wochen bis einigen Monaten und bewegen sich entgegengesetzt zum primären Trend, üblicherweise um 33% - 66%. Die Bewegungen verlaufen in der Regel schneller und heftiger als die des primären Trends. In einem Bullenmarkt wird der sekundäre Trend auch als „Korrektur“ bezeichnet, in einem Bärenmarkt nennt man ihn „Gegenbewegung“. Sekundäre Trends sind nützliche Phänomene, um allzu exzessive Spekulationen auszubremsen.

  • Tagesschwankungen

Tagesschwankungen können mit oder gegen den primären Trend laufen und sind in der Regel wenige Stunden bis wenige Tage lang, selten mehr als eine Woche. Auch wenn die Bewegungen an einzelnen Tagen teilweise beunruhigende Ausmaße annehmen können, eignen sie sich zur Analyse bzw. Vorhersage nur bedingt. Es besteht vielmehr die Gefahr von hastigen und zu emotionalen Entscheidungen. Daher sollte immer das mittelfristige Gesamtbild im Hinterkopf behalten werden.

 

Die drei Phasen eines primären Trends

Sowohl für einen Bullenmarkt als auch für einen Bärenmarkt lassen sich drei Phasen unterscheiden, die sich sowohl auf den psychologischen Zustand des Marktes als auch auf die Preisbewegung an sich beziehen:

Bullenmarkt

  • Phase 1: Akkumulationsphase

Die erste Phase eines Bullenmarktes ist kaum zu unterscheiden von einer Zwischen-Rally – einem Sukundärtrend - in einem Bärenmarkt. Der Pessimismus ist auf extremem Niveau und die Kurse auf historischen Tiefs. Allerdings bildet sich ein Boden aus, wobei es weit verbreitete Zweifel daran gibt, dass der Bärenmarkt beendet ist. Das Ende der ersten Aufwärtsbewegung wird von Seiten der „Bären“ als Argumentation dafür genutzt, es habe sich nur um einen sekundären Trend gehandelt. Endet diese Abwärtsbewegung allerdings über das vorherige Tief, bestätigt dies einen neuen primären Trend.

  • Phase 2: Ausbruchsphase

Diese Phase ist gewöhnlich die längste, es werden die größten Preiszuwächse erzielt. Die Marktstimmung verbessert sich und durch das Einsteigen von Trendfolgern kommt es zu einer breiten Beteiligung am Aufwärtstrend.

  • Phase 3: Distributionsphase / Übertreibung

In der letzten Phase des primären Bullenmarktes kommt es zu exzessiver Spekulation. Die Zuversicht der Marktteilnehmer ist auf Höchstständen, spiegelbildlich zur ersten Phase. Allerdings beginnen erste Marktteilnehmer, ihre Positionen zu verringern, es kommt zu einer Seitwärtsbewegung.

Bärenmarkt

  • Phase 1: Distributionsphase

Auch wenn die breite Masse der Marktteilnehmer nach wie vor voller Optimismus ist und die Fundamentaldaten positiv sind, stellen erste Investoren ihre Positionen glatt, die Kurse beginnen moderat zu fallen. Jedoch glaubt kaum jemand daran, dass ein Bärenmarkt begonnen hat, die meisten Analysten sind noch immer bullish. Nach den ersten Kursverfällen kommt es zu einer Gegenreaktion, die oft auch plötzlich und kräftig sein kann. Diese dient den Bullen als Begründung für einen weiterhin intakten Bullenmarkt. Das Hoch der Gegenbewegung endet jedoch auf einem tieferen Niveau als die früheren Hochs. Der Bullenmarkt ist beendet.

  • Phase 2: Absturzphase

In der zweiten Phase kommt es zu den größten Kursverlusten, weil der Trend klar identifiziert wurde und die Marktstimmung sowie die Fundamentaldaten sich verschlechtern.

  • Phase 3: Verzweiflung

In dieser Phase ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt, es finden sich kaum Käufer. Erst wenn alle negativen Nachrichten bzw. Vorhersagen vollständig in die Kurse eingepreist sind, beginnt der Kreislauf von vorne.

 

Identifikation von Trends

Dow und Hamilton analysierten die Höchst- und Tiefstpunkte, um einen Trend zu identifizieren. Ein Aufwärtstrend ist definiert als eine Reihe von steigenden Höchst- und Tiefstpunkten. Ein Abwärtstrend ist definiert als eine Reihe von fallenden Tiefst- und Höchstständen. Um Fehlsignale zu minimieren, arbeitete Hamilton nur mit Bewegungen größer 3%.

Sobald ein Trend identifiziert ist, besteht er so lange, bis er widerlegt worden ist. Ein Abwärtstrend besteht also solange weiter, bis sich ein höheres Tief ausbildet als das vorherige und das darauffolgende Hoch das der letzten Bewegung übersteigt.

 

Handelsvolumen

Die technische Analyse untersucht zwar größtenteils Preisbewegungen, aber auch das Handelsvolumen (engl. Volume) liefert interessante Hinweise. Es kann herangezogen werden, um Informationen über die Stärke von Trends zu gewinnen oder um potenzielle Trendumkehrungen zu identifizieren.

  • Bestätigung / Confirmation

Hamilton war überzeugt, dass das Volumen in der Richtung des primären Trends zunehmen sollte. In einem primären Bullenmarkt sollte das Volumen bei Kursanstiegen zunehmen, während es bei Korrekturen abnimmt. Bei der Analyse eines Aktienindizes werden auch die Anzahl der steigenden (Advancers) und fallenden Aktien (Decliners) mit einbezogen. Während Korrekturen sollte die Anzahl der fallenden Aktien nicht dramatisch zunehmen – man spricht von einer „engen Beteiligung“ (engl. narrow participation). In Bärenmärkten gilt diese Annahme entsprechend umgekehrt.

  • Umkehr / Reversal

Hamilton beobachtete des Weiteren, dass Handelstage mit hohem Volumen bevorstehende Reversals ankündigen können. Ein Handelstag mit hohem Volumen am Ende eines längeren Kursanstiegs kann signalisieren, dass das Hoch der aktuellen Bewegung kurz bevor steht. Dabei kann aber durchaus ein mehrmonatiger Zeitraum zwischen dem Volumentop und dem Marktpreistop liegen kann.

 

Handelsspannen / Trading Ranges

Hamilton beobachtete auch horizontale Linien, die Handelsspannen markieren. Diese Linien verbinden über einen längeren Zeitraum Hoch- bzw. Tiefpunkte während Seitwärtsphasen, so dass ein Kanal zweier paralleler Linien entsteht. Erst mit dem Durchbrechen der Trading Range nach oben oder unten lassen sich weitere Rückschlüsse ziehen, daher bezeichnete Hamilton die Trading Range als neutral bis ein Ausbruch erfolgt.

 

Fazit

Die Dow Theorie ist eigentlich gar keine Theorie, zumindest nicht in Form einer niedergeschriebenen akademischen Arbeit samt empirischer Tests. Vielmehr handelt es sich um eine Sammlung von Beobachtungen und Kommentaren aus jahrelanger publizistischer Tätigkeit.

Die Grundidee von Dow und Hamilton war es, die großen Marktbewegungen zu identifizieren und ihnen zu folgen. Die Theorie soll dabei helfen, Fakten zu identifizieren, nicht Vorhersagen zu treffen.

Noch einmal die wichtigsten Annahmen bzw. Erkenntnisse der Dow Theorie:

  • Der Markt spiegelt alle relevanten Informationen wider.
  • Der Markt bewegt sich in Trends.
  • Es existieren drei Trend-Arten.
  • Es existieren drei Trend-Phasen.
  • Das Volumen muss den Trend bestätigen.
  • Ein Trend besteht solange, bis er widerlegt ist.