Blogeintrag

Kognitive Barrieren beeinflussen unser aller Handeln (von Dieter Hluchy)

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Leonardo da Vinci hat bereits im 15. Jahrhundert postuliert, dass all unser Wissen seinen Ursprung in unseren Wahrnehmungen hat. Jeder, der handelt und Entscheidungen trifft, hat für sich wohl schon mehr als einmal zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Idealbild des vollkommen rationalen, Nutzen maximierenden Homo Oeconomicus nicht seiner Handlungsweise entspricht. Der folgende Artikel nimmt sich der Thematik an, und gibt einen Überblick auf neuere wissenschaftliche Mainstreams, die sich mit der Frage auseinandersetzen, ob wir als Bauch-, Herz- und oder Kopfmenschen unsere Entscheidungen treffen und dass wir Menschen zu irrationalen Entscheidungen tendieren, besonders immer dann, wenn Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden.

Generationen von Wirtschaftswissenschaftlern wurde die Idealwelt des Homo Oeconomicus „eingetrichtert“. Der rationale Nutzenmaximierer, der alle Handlungsalternativen und ihre Konsequenzen sorgsam prüft und abwägt, bildet - oder darf man heute schon sagen bildete - den theoretischen Rahmen. Mitte der 50iger Jahre kamen Zweifel und neue Theorien auf; der US-Nobelpreisträger Herbert A. Simon zeigte, dass die wachsende wirtschaftliche Komplexität ein neues Entscheidungsverhalten deutlich werden lässt. Es dauerte dann weitere 20 Jahre bis die neue „Verhaltensökonomie“ ihren wissenschaftlichen Durchbruch erlebt. Als erster Deutscher erhielt der Ökonom Reinhard Selten 1994 den Nobelpreis für Ökonomie; sein intellektueller Beitrag war die Erforschung der Spieltheorie. Und in 2002 erhielten zwei weitere Pioniere der verhaltensorientierten Ökonomie den Nobelpreis: der Psychologe Daniel Kahneman und der Forscher Vernon Smith.  „Auf Wiedersehen, Homo Oeconomicus …Die Revolution hat begonnen“ (DIE ZEIT 11.10.2002).

Das Thema und die Erkenntnisse der neuen Erwartungstheorie – wissenschaftlich: Prospect Theory – betreffen nicht nur Börsenhändler oder Unternehmenslenker, auch (aktuelle) politische Äußerungen und Strömungen von Entscheidern finden Widerhall und Erklärung. Als Pioniere der Verhaltensökonomie gelten die Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky. Ihre Aufsätze „Judgement under Uncertainty: Heuristics and Biases (1982)“, sowie „Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk (1979)“sind prägend auf dem Gebiet der Entscheidungsforschung. Die Theorie sagt nicht, wie wir uns verhalten sollten, sondern beschreibt, wie sich Menschen tatsächlich verhalten. Obwohl die Prospect Theory unter Laborbedingungen entwickelt wurde, zeigt sie, dass wir Risiken gegenüber Chancen überaus hoch gewichten, dass wir falsche Entscheidungen schönreden oder verniedlichen, dann an Entscheidungen oft zu lange festhalten oder zufällige Ereignisse im Nachhinein erfinden um unsere Entscheidungen zu kaschieren. All diese Thesen unterschreibe ich als langjähriger aktiver Händler!

Umfangreiche Forschungsergebnisse in der experimentellen Ökonomie zeigen, dass Individuen Entscheidungen sehr oft (!) aufgrund einer eingeschränkten Rationalität treffen. Entscheidungen werden suboptimal getroffen, da das Individuum nur eingeschränkte kognitive Fähigkeiten besitzt und durch instinktives Denken und mentale Kniffe (Heuristiken) zu einer Entscheidungsfindung kommt. Heuristik vom griech. heurisko: „ich finde“; bezeichnet in der Psychologie eine einfache Denkstrategie für Probleme und Urteile.  Heuristiken verursachen deshalb vorhersagbare Fehler. Der Ursprung unterschiedlicher Wahrnehmungsansätze wird dabei von verschiedenen Faktoren aus dem sozialen, kulturellen sowie psychologischen Umwelt des Entscheiders geprägt.

Nachfolgend werden grundlegende Erkenntnisse der Entscheidungspsychologie aufgeführt und zur Eigenanalyse überlassen. Wir treffen Entscheidungen auf Basis von Heuristiken, also grobe Verfahren, die uns helfen, bei vielschichtigen Sachverhalten zu einer Entscheidung zu kommen! Und oft geht dabei etwas schief!

Komplexe Entscheidungen können beeinflusst durch:

Verfügbarkeitsheuristik / availability bias: es werden nicht alle wesentlichen Informationen aufgenommen, sondern nur die zuletzt oder leicht erinnerten. Man greift auf Daumenregeln (short-cuts) zurück, die sowohl für Vorhersagen als auch retrospektiv genutzt werden.  
Repräsentationsheuristik / representativeness bias: Individuen achten auf bestimmte augenfällige Faktoren und vernachlässigen Alternativen. Illusorische Korrelationen werden aufgebaut
Anker-Anpassungsheuristik / anchoring: eine bequeme Schätzung für die Bewertung der Situation (Anker) ist Ausgangswert; eine falsche Anfangsschätzung wird „ungern“ angepasst – Versteifung/Weigerung der Anerkennung der anderen Entwicklung sind die Folge

Und was passiert mental nach einer Entscheidung?

Spielerfehlschluss / Gambler´s Fallacy: um ein Gefühl der Sicherheit zu erhalten, werden in Situationen großer Unsicherheit zufällige Ereignisse überbewertet bzw. Regelmäßigkeiten konstruiert ….“es kann doch einfach nicht sein, dass….“
Darstellungseffekt / Framing: Entscheidungen sind vom jeweiligen Umfeld (Frame) abhängig; als Händler kennen wir die Situation: wir sind positiv für eine eingegangene Position, selbst wenn sie in Verlust läuft. Ohne das Engagement gäbe es eine andere Positionierung
Referenzpunkt und Wertefunktion: aus den Untersuchungen zur Prospect Theory entstand die folgende Abbildung zum Risikoverhalten (value function). Die Kurve zeigt eine S-förmige Wertfunktion, die im Referenzpunkt einen Knick aufweist und für die Gewinne konkav und für die Verluste konvex verläuft. Verluste schmerzen einfach mehr, als uns Gewinne Freude machen. Ein Händler wird möglicherweise höhere Risiken eingehen wollen, nur um einen potentiellen Verlust nicht zu erleiden (Loss aversion)

Status Quo Effekt und Overconfidence: Kahneman und Tversky postulierten, dass Entscheider dazu neigen, im gegenwärtigen Status Quo zu verharren – es geht soweit, dass Investitionen, die „verloren“ sind weiter gehalten werden (sunk-cost-Effekt). Es besteht ein innerer Widerstand, die augenfällige Position durch ein Neuengagement zu ersetzen. Dazu kommt, dass Menschen neigen ein übertriebenes Vertrauen in ihr eigenes Urteilsvermögen zu legen und Alternativinformationen zu ignorieren. Kleine Risiken werden überschätzt, große dagegen unterschätzt – ein Trade wird ohne Stop-Loss ausgesessen.

Fazit: „Weil du die Augen offen hast, glaubst du, du siehst (J.W. Goethe)“ – leider stehen mentale Fallen dem Erfolg häufig entgegen. Die Kenntnis und die schrittweise Beachtung der gedanklichen Barrieren hilft zumindest einige der schmerzlichsten Fehlentscheidungen zu verhindern.

Autor: Dieter Hluchy

Zur Person

Jahrgang 1952
Diplom-Volkswirt  Universität Kiel
1980 – 2000 Devisenhandel
2000 – 2014 Energiehandel
2014 Fachberater für Finanzdienstleistungen (IHK Hannover)
Freiberufler: www.marktkompass.info                                                                                                              d.hluchy@marktkompass.gmx

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